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WIE

Wenn Künstler sich über Kunst äußern,dann tun sie dies zu-
meist in einer verkürzten,poetisch verzierten Sprache oder in
langen,meist unentwirrbaren Satzkaskaden.Unentwirrbar,weil
die Welt unentwirrbar ist,also auch die Künstler.Ich will mich hier
kurz fassen,auch wenn das arrogant wirkt.
Wenn Künstler heute
wie Aborigines oder Krümelmonster fressend und schlurfend in
der Kunstgeschichte herumuangeln und diese Beute dann zu ei-
iner postmoderen Dispersionsmasse anrühren,dann werden vie-
le Damen und Herren der feinen und - man vergebe mir - halbge-
bildeten Lifestyle-Gesellschaft ihnen diese zusammengekochten
und/oder scheinbar rüde authentisch runtergebürsteten Werke
aus den Händen reißen,besonders,wenn sie dann auch noch
sehr teuer von sehr teuren Galerien angeboten werden. Ähnli-
ches gilt für wohl auch für den zumeist naiven und daher belieb-
ten superfetzig-geilen,hypercoolen Neo- Antik-Expressionismus, nebst anverwandte, obercoole Punk-Rotz-Montage-Malerei.Nur
zu,man muß das auch "jönne könne". Und Künstler,die in ihren
Arbeiten heute ihre "linke" Seele so ungemein weit und speku-
lativ raushängen lassen,werden mit Sicherheit von der rotgrü-
nen TV-Monokultur jedem sofort als beste,weltoffene und welt-
läufige Kunst freihaus vor die Nase gehalten,egal wie pappig
abgeschmackt und abgelutscht ihre Konglomerate auch sind
und egal,was sie mit den Knackpunkten unserer Zeit,mit unseren
Wünschen,Ansprüchen und Hoffnungen der Gegenwart und Zu-
kunft überhaupt und wirklich zu tun haben,mit wie frischen kün-
stlerischen Methoden sie formuliert wurden.Und was darin zu-
vor noch nicht gedacht,gesehen und, im noch so kleinen Aspekt,
darin tatsächlich neu formuliert,transportiert wurde über reine
Schöngeisterei hinweg und wovon sie eigentlich zeugen? Viel-
leicht davon:"Alle Menschen sind Künstler"? aber das bedeutet
fast nichts,denn das ist abhängig vom ständigen Wandel und
führt in irres Niemandsland,in zerebrale Friedhöfe und zu "toten
Seelen".Eine Kunst für Gruftis.Andererseits lassen sich allzu wil-
lige Künstler oft wie soziale Randgruppen von Kulturbürokraten
und Marketing,leichthändig für irgendwelche obskuren Events
und Fremdinteressen,wie Blümchen von der Wiese pflücken.Das
labt die eitle Künstlerseele.Und es gibt heute eine besonders
blöde linke Szene - mit oft einfältigsten,abgedroschenen Bildern -
der man auf die Füße treten sollte,nicht,weil man etwa rechtsra-
dikal oder konservativ dächte,sondern weil einseitige Götzen-
und Parteidienerei jedem Künstler verhaßt sein sollte,auch ge-
gen den ganzen linkisch-modisch-ideologischen Propaganda-
Treck.Gerechtigkeit ist eben mitnichten ein Wert irgendeiner ein-
zigen Kaderschule,sondern eine letzte Frage an die freie Philo-
sophie.Andernfalls endet es wie gehabt,häufig mit Schüssen, in
den Rücken oder Kopf der "Ungerechten".In den letzten Jahren
sind viele neue Museen geplant und gebaut worden,wie sicher
noch nie in vergleichbar kurzer Zeit, aber die Kunst scheint darin
- man verzeihe mir den Hochmut - nur an Muff und Materialität,
weniger aber an Signifikanz und Innovation gewonnen zu haben.
Wichtig war in diesem Zeitraum vor allem der Siegeszug der un-
terschiedlichsten digitalen und medialen Werkprozesse in die
Realität der Arbeit,der Wissenschaft und der Phantasie.Spürbar
ist das in der Kunst wenig - wenn,dann zumeist nur als billiges
Surrogat - ,eher der Hang, die Wände wieder mit Bildern der alten
so herrlich knusprigen Wahrnehmungs-Ästhetik zu füllen.Der
Spießer und Banause verlangt krustenreiche,nach Öl und Mal-
mittel duftende Bilder und lustig gebastelte Objekte,die sich als
Illustrationen der bekannten Kunstgeschichte oder kurzweilige
Unterhaltung aus den ausgeleierten Trickkisten der Atelier-Tra- ditionen zu erkennen geben und so als ungeheuer bedeutsam
gefeiert werden .Das kommt nur bedingt vom akademisch Düs-
seldorfer Klüngel,sondern es demonstriert wahrscheinlich noch
mehr den ängstlichen Bildungstrieb der saturierten,schlafmüden
Kulturbeamten,die glauben,den glatten"Zeitgeist" und markige
Volksnähe fördern und fordern zu müssen,aus Furcht vor dem
"vernichtend-gleichgültigen" und reaktionären Urteil der Jeder-
mans.Dabei wäre den Künstlern am meisten gedient,wenn sich
die städtischen Kulturbeauftragten aus allen inhaltlichen Prozes-
sen völlig heraushalten würden.Auch hat das ältere Museums-
personal wohl ein technisches Problem mit den entsprechenden
neuen Instrumentarien,bei allem gelegentlichen Überangebot an
unbedarften Kunstpädagogen, bei denen meist die schönen al-
ten Rezeptionsmethoden und Vorstellungen von Werkprozessen
nicht mehr stimmen und fruchten - ,während die Natur-Wissen-
schaften innovativ aufrüsten und Philosophie und Kunst ins ver-
diente Abseits gestellt haben. Gentechnik,Biotechnologie, Ener-
gietechnik,Medizin,Musik,Architektur,Bildgebungsverfahren, pla-stische Chirurgie,software usw.boomen,doch die bildende Kunst
sieht in der bürgerlich öffentlichen Repräsentanz sehr alt aus,
auch die Fotografie,zumeist mit oft bloß manierierten Finessen.
Die Pracht der Kunsthallen und seine oft gigantisch zelebrierten
Materialschlachten sollen den arglosen Betrachter respektvoll
in die Kniee bluffen und so vor der Kunst das Fürchten oder den
Schauder lernen,wie einst König Belsazar die Schriftzeichen an
der Wand.Leider funktioniert das nicht.

Michael Badura,1995